Erste Ergebnisse zur Aerosol-Studie mit dem Chor des BR
Wissenschaftler der HNO-Klinik des Uni-Klinikums Erlangen und des Klinikums der LMU München untersuchen Corona-Ansteckungsrisiken beim Singen
Wie hoch ist das Risiko, sich beim Chorsingen durch Aerosolausbreitung mit dem Coronavirus zu infizieren? Und wie lässt sich dieses Risiko minimieren? Nach tragischen Ansteckungsfällen bei Chören in den USA, aber auch in Bayern und Berlin, hat der Bayerische Rundfunk (BR) für seine Klangkörper gemeinsam mit dem Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Erlangen selbst eine aufwendige Testreihe durchgeführt. Nun liegen erste Teilergebnisse der noch unveröffentlichten wissenschaftlichen Studie vor. Darin legen die beteiligten Wissenschaftler dar, unter welchen Gegebenheiten sie – mit Blick auf Abstände der Sängerinnen und Sänger zueinander und auf die raumklimatischen Verhältnisse – das Singen in Coronazeiten für gesundheitlich verantwortbar halten.
„Nach dem ersten Schock des Lockdowns und Prüfung der restriktiven Vorgaben sind wir schnell aktiv geworden, unter welchen Rahmenbedingungen und mit welchem Repertoire der künstlerische Betrieb wieder aufgenommen werden könnte unter der Maßgabe, dass der Schutz und die Gesundheit unserer Chormitglieder oberste Priorität haben“, beschreibt Susanne Vongries, Managerin des Chores des BR, die Ausgangslage. Da jedoch insbesondere zu Ansteckungsrisiken innerhalb von Gesangsensembles weltweit nur sehr wenig belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse existieren, suchte der BR fachlichen Rat bei Prof. Dr. Matthias Echternach, Leiter der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Klinikum der LMU München und selbst ausgebildeter Sänger.
Der Studienaufbau
PD Dr. Stefan Kniesburges, Strömungsmechaniker an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro) des Universitätsklinikums Erlangen, und Prof. Echternach konzipierten gemeinsam eine Studie, um die Abstrahlung und Verteilung sowohl von größeren Tröpfchen als auch von Kleinstpartikeln – den sogenannten Aerosolen – beim reinen Singen, beim Sprechen und beim Singen von Texten zu messen. Die Besonderheit: Im Gegensatz zu Studien, die sich auf Strömungsgeschwindigkeiten von Partikeln bezogen, wurden in diesen Versuchen die Ausbreitung und Verteilung der Tröpfchen und Aerosole im Raum näher untersucht.
Die Wissenschaftler bauten dazu im Studio 2 am BR-Standort Unterföhring zwei Versuchsanordnungen auf. In diesen beiden Settings ließen sie vom 20. bis 26. Mai 2020 jeweils zehn Probanden aus dem Chor des BR sowie neun Bläserinnen und Bläser aus dem Symphonieorchester des BR nacheinander definierte Passagen in verschiedenen Lautstärken singen, sprechen und spielen. Die Datenauswertung zu den Messungen mit den Blasinstrumenten steht noch aus.
Aerosolwolken sichtbar gemacht und vermessen
Das erste Setting bestand aus Hochgeschwindigkeitskameras und Laser-Equipment, womit die Streuung der größeren Tröpfchen untersucht werden konnte: Wie werden sie von Mund und Instrument abgestrahlt, bei welchen Sprech- oder Gesangspassagen wird die größte Menge an Tröpfchen erzeugt?
Im zweiten Setting wurde mit Kameras und Weißlicht gearbeitet, um zu analysieren, wie die noch winzigeren Aerosole Mund und Nase verlassen und wie sich diese in den Raum ausbreiten. Um die Verteilung dieser Kleinstpartikel sichtbar zu machen, inhalierten die Probanden eine Trägerlösung von E-Zigaretten, die dann bei und nach der Stimmgebung im hellen Licht sichtbar war.
Fazit: Mehr Abstand nach vorne als zur Seite
Die Auswertung der Messungen über die abgestrahlten Aerosolwolken ergab: Zu ihren Kollegen nach vorne müssten die Chormitglieder einen größeren Abstand einhalten als zur Seite. Immer vorausgesetzt, dass das Aerosol regelmäßig über einen permanenten Luftfluss von Frischluft aus dem Raum entfernt wird. Besser wäre es zudem noch, wenn es zwischen den Sängerinnen und Sängern Trennwände gäbe.
„Wir haben nach vorne hin im Mittel Abstände von etwas weniger als einem Meter für den gesungenen Text gemessen, einige Sänger erreichten allerdings auch Weiten von 1 bis 1,5 Meter, sodass Sicherheitsabstände von 1,5 Metern wohl zu gering sind und Abstände von 2 bis 2,5 Metern sinnhafter erscheinen. Die Daten beziehen sich allerdings nur auf die direkte Ausbreitung durch den Eigenimpuls beim Singen. Für die Sicherheit der Sänger ist es aber wichtig, dass die Aerosole auch permanent aus dem Raum entfernt werden, damit diese sich nicht ansammeln“, sagt Matthias Echternach. „Zur Seite hin fanden wir deutlich geringere Abstände als nach vorne, sodass die Abstände hier geringer gewählt werden könnten. Auch hier gilt die permanente Zufuhr von Frischluft, um die Aerosole aus der Luft zu entfernen“, so Stefan Kniesburges.
Singen mit Maske?
Tests mit Mundschutz ergaben, „dass, wenn mit chirurgischen Masken gesungen wird, die großen Tröpfchen zwar komplett und die Aerosole zum Teil herausgefiltert werden, ein Teil der Aerosole aber leicht strahlartig nach oben und zur Seite austraten“, sagt Stefan Kniesburges – weil die Masken an den Seiten und der Nase nicht vollständig dicht abschließen. Singen mit Maske, so die Erkenntnis, wäre durch die Verminderung der Partikelaustritte eine Option, aber nicht wirklich für Profichöre, „weil ich sehr gut artikulieren muss und jede kleinste Nuance von Klang natürlich brauche“, so Prof. Echternach. Bei Kirchen- oder anderen Laienchören indes dürfte Singen mit Maske „schon einiges verhindern.“
Quelle: LMU Klinikum, Stabsstelle Kommunikation & Medien
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PD Dr. Stefan Kniesburges
Telefon: 09131 85-32616
E-Mail: stefan.kniesburges(at)uk-erlangen.de
Prof. Dr. Matthias Echternach
Telefon: 089 4400-73861
E-Mail: matthias.echternach(at)med.uni-muenchen.de
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