Neue Möglichkeiten für Immundiagnostik und -therapie bei COVID-19
Erlanger Experten stellen gemeinsam mit Wissenschaftsminister aktuelle Forschungsprojekte vor
Gleich drei wegweisende Forschungsprojekte im Kampf gegen das Coronavirus wurden heute (22.04.2020) von Wissenschaftlern am Deutschen Zentrum Immuntherapie (DZI) des Universitätsklinikums Erlangen bei einer Pressekonferenz mit dem bayerischen Wissenschaftsminister Bernd Sibler vorgestellt. Die Kernaussagen: 1. Ein passiver Impfstoff gegen das Coronavirus kann Ende des Jahres für klinische Studien verfügbar sein. 2. Mit einer Studie soll die Wirksamkeit eines Medikaments aus dem Blutplasma ehemaliger COVID-19-Patienten nachgewiesen werden. 3. Patienten mit entzündlichen Erkrankungen sind durch ihre Medikation besonders vor einer COVID-19-Infektion geschützt. „Mein Dank gilt den hoch engagierten Teams am Deutschen Zentrum Immuntherapie und an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die sich unermüdlich dem Kampf gegen das Virus stellen“, sagte Bernd Sibler.
„Die Erlanger Projekte zeigen neue Möglichkeiten für die Immundiagnostik und die Immuntherapie bei COVID-19-Infektionen auf und lassen für Betroffene eine verbesserte Behandlung in der Klinik erwarten“, sagte DZI-Sprecher Prof. Dr. Markus F. Neurath. In einer aktuellen klinischen Untersuchung, die in den vergangenen drei Wochen an rund 1.000 Patienten am DZI durchgeführt wurde, konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Erkrankungen wie Rheuma, Darmentzündung oder Schuppenflechte durch ihre entzündungshemmenden Medikamente offensichtlich keine oder nur sehr selten Anzeichen einer Infektion mit SARS-CoV-2 zeigen. „Der Grund liegt in der Ähnlichkeit der überschießenden Immunreaktion bei COVID-19 und bei Immunerkrankungen, die mit speziellen Therapeutika gehemmt werden können“, erläuterte Prof. Dr. med. univ. Georg Schett. Deshalb müssten diese Patienten nicht mehr als Risikopatienten eingestuft werden und sich vor einer COVID-19-Erkrankung sorgen.
„Erste passive Impfungen gegen Coronavirus Ende des Jahres möglich“
Eine passive Impfung gegen COVID-19 aus monoklonalen Antikörpern möchte ein Forscherteam aus Prof. Dr. Hans-Martin Jäck, Prof. Dr. Klaus Überla und Prof. Dr. Thomas Winkler entwickeln. „Damit wollen wir zum Beispiel medizinisches Personal, Betreuer in Alten- und Pflegeheimen sowie Hochrisikopatienten für zwei bis drei Monate schützen, bis es einen aktiven, lang wirkenden Impfstoff gibt“, sagte Prof. Überla. Die Forschergruppe der FAU Erlangen-Nürnberg hat aus dem Blut genesener COVID-19-Patienten oder aus besonderen immunisierten Mäusen bereits 25 Antikörper identifiziert, die gegen das Coronavirus gerichtet sind. „Diese Antikörper werden gerade auf ihre Fähigkeit getestet, die Virusinfektion in einem Zellkultursystem zu verhindern“, erläuterte Prof. Überla. Anschließend müssten die in der Zellkultur gewonnenen Erkenntnisse in Tierversuchen und klinischen Studien überprüft werden. „Wenn alles weiter so gut läuft, könnten die ersten Patienten Ende des Jahres passiv geimpft werden“, so der Erlanger Virologe.
Erste COVID-19-Immunplasma-Therapien durchgeführt
COVID-19-Immunplasma ist eine neue therapeutische Option zur Behandlung der Coronavirus-Erkrankung. „Die Herstellung beruht auf einem alten und sehr bewährten Prinzip der Medizin“, so Prof. Dr. Holger Hackstein. Im Verlauf einer Infektion würde ein Mensch Antikörper zum Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf bilden. „Diese virusspezifischen COVID-19-Antikörper konnten wir von genesenen Menschen nach COVID-19-Erkrankung durch eine Apherese-Plasmaspende (Update 24.04.2020: Weitere ehemalige Corona-Patienten für Plasmaspende gesucht) gewinnen und in den vergangenen Tagen an vier kranke Patienten übertragen“, erläuterte der Transfusionsmediziner. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir schon sagen, dass wir teilweise eine deutliche Reduktion einzelner Entzündungsparameter feststellen können und bei einem Teil der Patienten sehen, dass die Viruslast abfällt.“ Für eine endgültige Bewertung des Verfahrens sei es aber noch zu früh, da es noch keine kontrollierte klinische Studie dazu gibt. „Das wollen wir jetzt ändern und bereiten eine klinische Studie vor, die in den nächsten Wochen starten könnte, sofern die Genehmigungen erteilt sind und eine Finanzierung vorliegt“, kündigte der Wissenschaftler an. Mit konkreten Ergebnissen sei frühestens Ende des Jahres zu rechnen.
„Speerspitze im Kampf gegen das Coronavirus“
Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler: „Gerade wenn es darum geht, Menschen in dieser schwierigen Lage Hoffnung zu schenken, stimmen mich die ersten Ergebnisse und Erfolge der medizinischen Forschung – zum Beispiel beim Thema Impfstoff oder der Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten – ein wenig zuversichtlich. Die ersten Ergebnisse und Erfolge zeigen uns, dass wir auf einem guten Weg sind, das neuartige Virus zu verstehen, Erkrankte erfolgreich zu behandeln und Schutz zu bieten. Damit wird einmal mehr deutlich: Das Universitätsklinikum Erlangen und die weiteren fünf bayerischen Universitätsklinika sind die Speerspitze im Kampf gegen das Coronavirus – in der Versorgung von Patientinnen und Patienten und in der Forschung.“
Das Deutsche Zentrum Immuntherapie am Universitätsklinikum Erlangen wurde im Februar 2018 in Erlangen gegründet. Ziel des DZI ist es, chronisch-entzündliche Erkrankungen und Krebserkrankungen durch gezielte Immuntherapien erfolgreich zu behandeln. Dabei befasst sich das DZI mit drei zentralen Aufgabenbereichen: Entwicklung und Anwendung von gezielten Immuntherapien, Etablierung neuer Diagnoseverfahren zur Krankheitserkennung und Therapieüberwachung sowie Einsatz modernster, digitaler Gesundheitstechnologien. Das DZI ermöglicht durch die Kombination dieser drei synergistischen Aufgabenbereiche eine individuell gezielte Immuntherapie für Krebspatienten und Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Weitere Informationen: www.dzi.life
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Prof. Dr. Markus F. Neurath
Telefon: 09131 85-40333
E-Mailmarkus.neurath(at)uk-erlangen.de